Es liegt auf der Hand, dass der Mensch schon immer Entfernungen messen wollte. Alle Maßeinheiten bezogen sich deshalb zunächst auf den Menschen und die menschliche Leistungsfähigkeit. Größen wie ein Axtwurf, ein Speerwurf oder ein Bogenschuss waren für frühere Generationen ganz normal. Sicher nicht sehr exakt, aber jeder wusste gleich, was gemeint war.
Die alten Römer wollten es jedoch genauer haben. Sie führten den Begriff "milia" ein, der sich heute noch in den Einheiten mile, mil oder Meile wiederfindet. Eine "milia" bestand aus 1000 Doppelschritten mit jeweils fünf Fuß Länge, was heute 1.478 m entsprechen würde.
Die kürzeren Maßeinheiten bezogen sich auf den menschlichen Körper, beispielsweise auf die Länge von Armen, Füßen, Handbreiten und Fingern. So wurde bereits 1546 in Schweden festgelegt, da? ein Fuß genauso lang ist wie vier Handbreit oder sechzehn Fingerbreit und 1605 wurde die "Rydaholms-Aln" mit einer Länge von 0,593 Metern als Norm für ganz Schweden festgelegt. Damals entsprach eine "Aln" (Elle) zwei "Fot" (Fuß), die vier "Kvarter" (Vierteln) zu je zwei "Tum"/System von Maßeinheiten "für alle Zeiten und für alle Völker"/System. Aber: Wie sollte die einfache Bevölkerung die neumodischen Meter und Zentimeter verwenden, wenn doch alle nur gelernt hatten, in Daumen zu rechnen? Da war Erfindergeist gefordert.
Und der zeigte sich dann auch bald. In Stockholm gab es zu dieser Zeit einen eigensinnigen Architekten mit dem Namen Karl-Hilmer Johansson Kollén. Als er einmal den Auftrag bekam, Details für ein Theater zu zeichnen, verweigerte er dies aus seiner religiösen Überzeugung heraus und kündigte lieber seine Stellung. Wer würde das heute noch tun? Und wovon wollte er in Zukunft leben?
Dieser Maßstab hatte sowohl eine alte Skala in Daumen als auch eine neue Meterskala. Leider war er unhandlich, da man ihn nicht zusammenklappen konnte, weshalb Karl-Hilmer gleich die nächste Erfindung machte und den zusammenklappbaren Zollstock erfand.
Das Startkapital von 5 000 schwedischen Kronen erhielt er von einer englischen Dame, die von seiner Idee gehört hatte und sie gerne unterstützen wollte. Damit wurde die "Svenska Mått- och Tumstocksfabriken" ("Schwedische Maßstabs- und Zollstockfabrik") gegründet, die die getätigten Investitionen bald mehrfach wieder erwirtschaftete. Aus dieser Fabrik entwickelte sich die Hultafors AB, der einzige Hersteller von Zollstöcken in Schweden.
Die Fabrikation lief hervorragend und die Gesamtlänge aller Gliedermaßstäbe aus unserer Produktion würde inzwischen mehrfach um den Äquator reichen. Gliedermaßstäbe, je nach Region auch Zollstöcke oder Meterstäbe genannt, werden aus unterschiedlichen Werkstoffen hergestellt.
Es gibt Gliedermaßstäbe aus Aluminium, glasfaserverstärkten Kunststoffen und aus Holz, für unterschiedlichste Anwendungszwecke. Das verwendete Holz ist heute auch nicht mehr, wie es früher in Anzeigen hieß, "echtes Zollstockholz". Bis in die 60er Jahre wurde für Gliedermaßstäbe nämlich das Holz des schwedischen Mehlbeerbaums verwendet, seitdem gilt Glasbirkenholz als "echtes Zollstockholz".
Die Maßeinheit Zoll hat sich in die modernen Zeiten gerettet, natürlich sind es nicht mehr die schwedischen "Tum", aber englische "Inches". Das englische "Inch" (Zoll) ist mit 25,4 mm etwas länger als der schwedische "Tum" mit 24,7 mm. Darüber hinaus gab es in Skandinavien auch den dänischen und norwegischen "Tum" mit 26,15 mm Länge, also etwas länger als das englische "Inch". Der Uberlieferung nach beruhte dieser Längenunterschied auf den speziellen Eigenschaften des Rohstoffes Holz...
Alles Holz wurde früher in englischen "Inches" gemessen. Aber als die beladenen Holzfrachter aus Dänemark in England ankamen, stimmten die angegebenen Maße nicht mehr, weil das Holz auf der Überfahrt weiter getrocknet und dadurch geschwunden war. Um dieses Problem zu lösen, wurde das "Tum"-Maß in Dänemark einfach verlängert, um den Schwund des Holzes auf der Fahrt nach England auszugleichen!
Was kann man heute von einem Zollstock, pardon: Gliedermaßstab ablesen? Zuerst natürlich eine sehr genaue Maßangabe in metrischen Längeneinheiten oder in Meter und in englischen "Inches".
Ganz am Anfang des Gliedermaßstabs finden sich noch einige kleinere Ziffern in Klammern zusammen mit der römischen Zahl III. Dabei handelt es sich um die EU-Kennzeichnung für ein Messwerkzeug, dass Eine ausreichende Genauigkeit gemäß bestimmter Richtlinien der europäischen Union erfüllt.
Und bei 8,5 cm befindet sich ein rotes Dreieck mit den Buchstaben "KHK" auf dem Gliedermaßstab - dabei handelt es sich aber nicht um wichtige internationale Angaben, sondern nur um das Firmenlogo von Hultafors.